Ich gehöre zu dieser seltsamen Zwischengeneration. Geboren in einer Welt, in der Computer noch beige Kästen mit mysteriösen Geräuschen und blinkenden Statusleuchten waren. Zwischen der Generation, die Angst hatte, etwas kaputt zu machen, und denen, die nie gezwungen waren, etwas selbst zu reparieren. Zwischen DOS und iOS. Zwischen der Kommandozeile und dem App-Store.
Wir haben unsere PCs selbst gebaut, kleine Programme in der Eingabeaufforderung geschrieben, Config-Dateien editiert – lange bevor „Low Code“ ein Begriff war. Und im Gegensatz zu unseren Eltern hatten wir keine Angst, etwas kaputt zu machen. Ganz im Gegenteil.
Diese Furchtlosigkeit wurde unsere Superkraft.
Wir sind die Digital Natives. Und ich behaupte: Unsere Generation hat sich dadurch eine Perspektive auf Technologie erarbeitet, die heute wertvoller ist denn je. Wir haben Fähigkeiten kultiviert, die vorher nicht existierten – die Kunst des digitalen Handwerks.
Wir haben nicht nur gelernt, mit Software umzugehen. Wir haben LAN-Partys veranstaltet, Netzwerkkabel gezogen, unsere Rechner übertaktet und Wasserkühlungen gebaut – nicht aus Not, sondern aus Neugier. Wir wollten die Magie unter der Haube verstehen. Wenn etwas nicht funktionierte, war die Antwort kein Support-Ticket, sondern eine gezielte Google-Suche, das Wühlen in Foren und das beherzte Editieren von Konfigurationsdateien.
Wir haben das System von innen begriffen.
Die Generation nach uns? Sie wachsen in einem "Walled Garden" auf. Meister im Swipen, Virtuosen der App-Nutzung. Aber das System dahinter bleibt für viele eine Blackbox. Sie sind brillante Anwender fertiger Produkte, aber die Neugier, die Maschine selbst zu zerlegen, wurde ihnen nie abverlangt.
Lange dachte ich: Wir, die goldene Generation der Digital Natives, haben den Gipfel der digitalen Souveränität erreicht.
Ich habe mich geirrt.
In den letzten Jahren hat sich etwas fundamental verändert. Eine neue Beziehung zur Technologie ist entstanden. Eine, die den Begriff "Digital Native" hinter sich lässt.
Ich sage heute: Ich bin ein AI Native.
Das ist keine Frage des Alters, sondern eine bewusste Entscheidung. Es ist der Entschluss, mit Künstlicher Intelligenz nicht nur zu arbeiten, sondern mit ihr zu denken. Es ist der logische nächste Schritt für alle, die Technologie nicht nur konsumieren, sondern gestalten wollen.
Ein AI Native zu sein bedeutet, KI als selbstverständlichen Teil des eigenen kognitiven Prozesses zu begreifen. Sie ist kein Tool mehr, das man öffnet. Sie ist ein ständiger Dialogpartner. Eine Ko-Intelligenz.
Und natürlich passiert das nicht nur in der Cloud.
Die wahren Digital Natives von damals sind heute die AI Natives, die sich unzensierte LLMs lokal installieren, Tokenlimits austesten, ihre Grafikkarten ins Eisfach legen, wenn es sein muss. Der Spieltrieb ist derselbe, das Spielfeld größer.
Als Digital Native habe ich gelernt, Google zu beherrschen. Als AI Native führe ich ein Gespräch.
Früher: Wie löse ich das? Heute: Wie lösen wir das?
Ich prompte nicht: "Schreib mir einen Marketingtext."
Ich instruiere: "Agier als Marketingstratege. Entwickle drei Buyer Personas. Formuliere für jede eine Value Proposition. Und dann: Widerlege deinen eigenen Vorschlag aus der Sicht eines skeptischen CFOs.“
Als Digital Native wusste ich, wie man Fakten findet. Als AI Native verlagert sich der Fokus: Nicht mehr das Ergebnis steht im Zentrum, sondern der Weg dorthin. Ich lasse Thesen widerlegen, Konzepte aus verschiedenen Perspektiven erklären, komplexe Ideen in Analogien übersetzen. Wissen wird zum Prozess, geformt im Dialog.
Und dieser Dialog ist kein bloßer Austausch von Informationen – er ist iterativ, ein Kreisen um eine Idee, das Verwerfen, Neuformulieren, Nachjustieren einschließt. Die Antwort entsteht nicht in der Maschine. Sie entsteht in mir – durch die Rückfragen, Reibungen und Vorschläge der KI.
Ich kann mir heute spezialisierte Assistenten bauen, die nicht nur Wissen wiedergeben, sondern Perspektiven. Ein analytischer Gegenpart, ein kritischer Sparringspartner, ein kreativer Impulsgeber – alles zugleich, in wechselnden Rollen. Wer weiß, wie, kann diese Dialogräume gestalten und differenziert nutzen.
Oft höre ich die Kritik: KI mache dumm. Studien zeigen, dass bei der Textproduktion mit KI die Gehirnaktivität sinkt. Das ist nicht falsch – aber unvollständig.
Denn es hängt davon ab, wie wir KI nutzen. Wer sie wie ein Wikipedia-Artikel mit Chatfenster behandelt, bekommt auch nur Informationsbrocken zurück. Wer aber eine Hypothese entwickelt, Annahmen hinterfragt, mit der KI im Modus der Exploration bleibt – dessen Denken wird nicht ersetzt, sondern verstärkt.
Wir, die wir gelernt haben, Maschinen zu verstehen, wissen: Ein Werkzeug macht niemanden dumm. Aber wie wir es einsetzen, sagt viel darüber aus, was wir vom Denken erwarten.
Der Junge, der früher Hardware zusammenschraubte, ist heute Dirigent eines kognitiven Orchesters.
Dieser Wandel ist die größte Chance unserer Zeit. Ja, wir Digital Natives haben einen Startvorteil: Furchtlosigkeit, Systemverständnis, Lösungskompetenz.
Doch letztlich ist es eine Frage der Haltung.
Die Kluft verläuft nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen denen, die KI als App betrachten, und denen, die sie als Partner willkommen heißen. Die Sorge vor "Verdummung durch KI" betrifft vor allem die passiven Nutzer.
Wer lernt, KI als Denkwerkzeug zu nutzen, ersetzt sein Denken nicht – er potenziert es.
Genau dieses Mindset zu kultivieren, ist das Ziel meiner Arbeit. In meinen Workshops geht es nicht um Klick-Anleitungen. Es geht darum, Ihre Neugier wieder freizulegen. Vom Anwender zum Gestalter.
Meine Reise vom Digital Native zum AI Native hat mein Verständnis von Kreativität und Wissen revolutioniert.
Sind Sie bereit, den nächsten Schritt zu gehen?
Eine Haltung die jeder erlenen kann.
Und warum meine Generation – die Digital Natives – den entscheidenden Vorteil hat.